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Donnerstag, 25. September 2014 / 00:00:00
U2 - Songs of Innocence
U2 sind zurück. Und Bono zieht wieder den Zorn aller Musik-Gutmenschen auf sich - weil er sich für seine Arbeit bezahlen lässt. Klingt komisch, ist aber so. Und weil sein neuer Vertriebspartner Apple heisst, gibt's ein extrastarkes Kinnladen-Beben bei den Industrie-Mumien.
An vorderster Empör-Front: Stephan Eicher, der Bono bei einem sensationellen 100-Millionen-Deal vorhält, Musik "gratis abzugeben und sich dabei noch feiern zu lassen", liesse alle Musiker sprachlos zurück. Tja. Die Frage sei erlaubt, Herr d'Artagnan - ehm - Eicher, tschuldigung: Wann hat Ihnen das letzte Mal jemand für 10 Ihrer Songs 100 Millionen angeboten? Eben. En garde. Und wissen Sie was? Es ist nicht Bonos Schuld, dass eine Menge Musik gratis runtergeladen wird, sondern seit einer Dekade ein markantes Zeichen unserer Zeit. Eine Marktverlagerung. Der Entwicklung wegen. Fortschritt. Und so.
Platten sind neuerdings ins Promotionsbudget (nicht Sales!) zu rechnen, dafür verkauft man teurere Eintrittstickets, erhöht das Merchandising-Geschäft - und finanziert sich eben durch Werbung. Auch, wenn der Aufprall nach jahrelanger Lethargie und Marktignoranz hart ist, aber willkommen auf dem Boden der Realität, Herr Eicher. Wir helfen Ihnen gerne wieder auf's Pferd.
Was Bono gemacht hat, ist ein Plattenvertriebsgeschäft mit dem grössten Onlinehändler der Welt. Ob der Vertriebspartner die Tracks einzeln in den Handel gibt oder im Paket kauft, um ein anderes Produkt zu pushen, ist ja ihm überlassen. Somit sind die neuen Songs genau die 100 Millionen wert, die sie gekostet haben. Und nicht gratis. Das sind mindestens 10 Mio. verkaufte Alben. Ein guter Deal also. Für beide. Denn Apple bezahlt das aus der Portokasse.
Bonos Geschäftssinn kommt nicht von ungefähr: Im Norden der damals gefährlichsten Stadt der Welt, Dublin, zwischen Bomben, Hoffnungslosigkeit und täglicher Strassengewalt - ja, liebe Schwammendinger, DAS ist Ghetto - aufgewachsen, entwickelte er früh einen hohen Überlebenssinn. Sein Motto: Stillstand ist der Tod. Der Motor für seine Weltkarriere. Dass er ganz nebenbei - gerade wegen seiner Herkunft - in seiner "Freizeit" viel für den irisch-/nordirischen Frieden getan und über 200 Millionen Dollar für die AIDS-Forschung gesammelt hat, darüber kann man mal nachdenken. Beim Feierabend-Bier. Um 6 Uhr abends. Mit Faust im Sack.
Und Bonos irischen Arbeiterklasse-Humor kann man mögen oder nicht: Aber die neue Platte, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von allen Mitstreitern der Musikindustrie als Teufel und Katalysator zur "Musikpiraterie" (das Wort ist schon eine Klasse für sich...) verschrien werden würde, "Songs Of Innocence" zu nennen, ist einfach nur lustig.
Und wenn man sich die Platte genau anhört, versteht man auch, wieso sich alle "Gutmensch-Musiker" so ins Hemd kacken: Schnell werden die Jammerlappen nicht an die gigantische U2-Entertainment-Maschine rankommen. Weder von der Klasse her. Noch wirtschaftlich. Da sind noch paar Ufo-Reisen dazwischen.
Und letztendlich: Würde man Stephan Eicher - im nächsten Leben vielleicht - die 100 Millionen für 10 Songs anbieten, wäre die aufgesetzte Hippie-ster-Romantik schneller dahin, als die Luft zum Atmen in dem Moment, als er vom U2-Deal gelesen hat.
Bewertung: Tolles Album, geile Songs, 100 Millionen mit Promotionsmaterial reingeholt, Toureinnahmen & Merchandising exklusive, Bestnote, Bono - setzen.
Sascha Plecic
piratenradio.ch
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