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Während das Bauernsterben in der Schweiz grassiert, feiert der Lifestyle «Bauer» Chilbi. (Bild: Bauer, ledig, sucht...)

 
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Mittwoch, 30. Juli 2014 / 18:00:00

Wie dem Land die Kuhschweizer ausgehen

Melken war europaweit bis in die frühe Neuzeit ausschliesslich Frauensache - ausser in der Schweiz. Deshalb verspotteten die Schwaben ihre Nachbarn gerne als «Kuhschweizer». Selbst im Zweiten Weltkrieg wurde den Frauen das Melken trotz zeitweiligem Männermangel im Stall, von oberster Stelle verboten. Schweizer und Kühe bieten also ein besonderes Gemisch. Deshalb sollten die neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik alle erschrecken.

Seit 2003 hat jede sechste Bäuerin und jeder sechste Bauer aufgegeben. Vor allem die Milchbauern können und wollen nicht mehr. Schuld daran sind u.a. die Direktzahlungen, die Finanzspekulation mit Agrarrohstoffen und die verfehlte Agrarpolitik in Brüssel und Bern.

Eine Schweiz ohne Kühe ist genauso unvorstellbar wie ein Griechenland ohne Kultur. Doch die Hochfinanz macht Dinge möglich, gegen welche unsere Vorfahren mit Fug und Recht demonstriert haben. Die Schweiz und Europa werden nicht nur unter amerikanischer Vorherrschaft systematisch deindustrialisiert, sondern unter einer bigotten Allianz u.a. zwischen Finanzlobby, Sozialdemokraten und Agrarindustrie regelrecht «entbauert». Dass sich die Bauern zusätzlich bei falschen politischen Freunden anbiedern, ist doppelt beschämend und traurig.

Während viele urbane Menschen sich zu Recht für vegane oder vegetarische Ernährung begeistern, vergessen sie genauso wie die Fleischfresser, welche Politik und welche Agrarstruktur ihren Speiseplan gestalten, egal ob blutig oder grün. Es ist als würde Norbert Elias seine «Geschichte der Zivilisation» als Erzählung der völligen Entfremdung der Menschen von allen sinnlichen Erfahrungen weiterschreiben und niemand würde ihn verstehen. Da feiern «Landleben» und «Landliebe», Bauernkalender, «Bauer, ledig, sucht...» sowie dörfliche Feste eine vermeintliche Renaissance landwirtschaftlicher Traditionen während diese real gesehen, regelrecht verrecken. Lifestyle ist eben nicht das Leben selbst.

Höchste Zeit, statt einer oberflächlichen Bauernrhetorik mal die politischen Strukturen und Anreize der Landwirtschaft aufzulisten:

-       Die Landwirtschaft muss reguliert werden, da Leben eben nicht so schnell auf Marktschwankungen reagieren kann. Um planbar zu bleiben, haben die Staaten seit Jahrhunderten auf Regulierung gesetzt
-       Nach dem 2. Weltkrieg führte die Regulierung der Landwirtschaft, die aber gleichzeitig marktorientiert war zu obszönen Milch- und Butterseen
-       Seit 20 Jahren spekuliert die Börse brutal mit Agrarrohstoffen, was die Risiken für die Produzenten massiv erhöht
-       Die Liberalisierung des Agrarmarktes mit dem völligen Abbau der Zölle hat dazu geführt, dass die Ernährungssicherheit in Europa und vor allem auch in der Schweiz völlig dahingefallen ist.
-       Es besteht in der schweizerischen und in der europäischen Landwirtschaft eine fast vollständige Abhängigkeit vom US-amerikanischen Finanzkapitalismus, verfehlter US-Agrarpolitik, Gen-Food und Agrarrohstoffspekulationen
-       Der Freihandel der EU und der Schweiz mit China, der ohne irgendwelche ökologischen und sozialen Mindeststandards Zollfreiheit auf allen Ebenen anstrebt, bringt der Schweiz und Europa eine chinesische Lebensmittelindustrie, die nachweislich auf dem ökologischen und gesundheitlichen Höchstchemiestand der Weltgeschichte produziert
-       Die europäischen und die schweizerischen Bauern wählen nach wie vor Agrarindustrie-Lobbyisten und Börsenspekulanten direkt in die Regierungen und jagen dann die Menschen aus anderen Ländern, die sie für ihren Existenzzerfall (statt ihre Parteikollegen und sich selber) verantwortlich machen
-       Die Direktzahlungen sind nach wie vor Produktstützungen, die Ökonomien ausserhalb der EU aus den Weltmärkten dumpt. Direktzahlungen sind eigentlich verdeckte Exporthilfen
-       Nur mit Direktzahlungen können schweizerische und europäische Bauern unter den realen Produktionskosten überhaupt wirtschaften. Diese dürfen jedoch nicht für Export ausgezahlt werden, sondern für die Sicherung des Wohlstandes der Bauern und die Ernährungssicherheit des europäischen Kontinentes

Wenigen ist bewusst: Das Bauernsterben betrifft ja nicht nur die Bauern, sondern die Basis aller Volkswirtschaften, die Europa und die Schweiz so reich gemacht haben. Von der Landwirtschaft aus passiert vieles, das wir in Europa und in der Schweiz so schätzen, nicht zuletzt das duale Bildungssystem mit der gesellschaftlichen Gleichwertigkeit von Handwerk und Akademie. Wer ?More than Honey? gesehen hat, erkennt zudem auf einen Blick, wie wichtig der Schutz nachhaltiger, ökologischer, tierfreundlicher Bauernschaft für alle Menschen ist. Es ist höchste Zeit, sich über solche Themen - statt sich über vegane oder blutige Ernährung zu streiten -  zu enervieren. Hier liegt der wirkliche Stadt-Landgraben und nicht in der politologischen lackierten Fliegenkacken-Schau über Konservative im Kanton und Progressive in der Stadt. Was tun?

Das Ziel Europas und der Schweiz muss sein, sich selber zu versorgen. Dass dies bei Kaffee und Tee nicht geht, ist klar. Doch die Nahrungssouveränität ist für die EU und die Schweiz ebenso wichtig, wie wenigstens ein Ernährerlohn oder ein Grundeinkommen bei der Gründung einer Familie. Gleichzeitig müssen Zollschranken im Nahrungsmittelbereich unbedingt erlaubt sein. Freihandel gibt es nur bei ökologischen und sozialen Mindeststandards ... das sollte sogar einem Gewerkschafter einleuchten können, oder? Übrigens sollten sich auch die Länder im Süden mit Zöllen schützen dürfen, d.h. mit Zöllen gegen exportsubventionierte EU-Milch beispielsweise. Selbstverständlich dürfte die Nahrungsmittelsicherheit nicht als Exporthilfe dienen, d.h. sie ist bei Milch und Butter bei 95 Prozent statt wie jetzt bei 110 Prozent anzusetzen. Gleichzeitig müssten die EU und die Schweiz mehr ökologisch produzierte und nachhaltige Futtermittel selber herstellen. Momentan werden diese zu 75 Prozent importiert - eine katastrophale Abhängigkeit.

Würden die Schweizer Bauern endlich realisieren, dass sie bei globalisierungskritischen Bewegungen, die sich einem anderen Leben als dem der lebendigen Münze verschreiben wollen, besser aufgehoben wären, als bei den Grossbauern, die mit ihrer Agrarindustrie nichts mehr mit Bauern, dafür alles mit der Börse zu schaffen haben, müsste nicht jeder 6. Bauer seinen geliebten Hof aufgeben und die Schweiz verlöre nicht ihre wichtige Basis, die unter anderem auch deren Reichtum ausserhalb der Bankwirtschaft generiert. Es wäre doch wirklich schade, wenn der Schweiz ihre Kuhschweizer ausginge - vor allem jetzt, wo endlich auch die Frauen hierzulande melken dürfen und dies teilweise erst noch besser tun, als die Männer und deren Maschinen ...

Regula Stämpfli (Quelle: news.ch)

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