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Statt Fakten stapeln zum ersten Weltkrieg einen guten Film schauen: La Grande Illusion von Jean Renoir.

 
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Mittwoch, 29. Januar 2014 / 09:06:15

La grande Illusion

Die Erinnerungsbeiträge zum Ersten Weltkrieg lassen die Grande Guerre wie eine deutsche Angelegenheit erscheinen. Dabei war der Erste Weltkrieg genauso europäisch und amerikanisch wie die heutige Europäische Union. Doch in Deutschland steht nach wie vor die Schuldfrage im Zentrum grad so als ob diese für die «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts» noch relevant wäre.

Schaut man auf die Diskussionen in Europa, so muss man erschreckt feststellen, dass in Deutschland die Schützengräben fast so antifranzösisch wie anno dazumal und in Frankreich sich das Wissen zu Deutschland auf dem Niveau eines ungebildeten Amerikaners bewegt. Auch die Serben, welche schliesslich zu den Hauptakteuren im mörderischen Wahnsinn gehörten, benehmen sich wie vor 100 Jahren - anders kann man den Vorschlag, den Mördern vom Sommer 1914 ein Denkmal zu gewähren, nicht deuten. Von Versöhnung, Dialog und Erkenntnisgewinn 2014 in kaum einem europäischen Land - ausser natürlich Grossbritannien, welches eh über die besten Historiker und Historikerinnen verfügt - keine Spur. Auch in der Schweiz bewegt sich der Diskurs momentan noch auf dem Niveau vor 1989, deshalb hören, sehen und lesen wir wie damals, auch 2014 Georg Kreis.

Dabei führen uns die genialen Schriftsteller Erich Maria Remarque, Stefan Zweig, Karl Kraus (alle in alle europäischen Sprachen übersetzt) mitten in die Erfahrungen des Grossen Krieges. In «1913» schreibt Florian Illies ein äusserst modernes Jahrhundertgemälde, welches etwas von der Authentizität und den europäischen Verknüpfungen und Verquickungen erzählen als die nationalistischen Nabelschauen, welche der öffentlich-rechtliche Rundfunk Deutschlands und Frankreichs sowie der Service publique europa- und schweizweit treiben.

Statt die wirklich neue Dimension der Massenschlächterei zu erfassen, die bis heute überall ihre Spuren in die Labore der Moderne zieht, diskutieren die Medien vorzugsweise in Personality-Shows, wer wann, wie und wo. Dabei ist das eigentliche Kriegsgeschehen im Ersten Weltkrieg ziemlich nebensächlich, denn ganz ehrlich? An der Westfront bewegte sich nichts ausser den Maschinenzäunen, die jeden Tag erneut mit jungen Männern, von Maschinengewehren getroffen, gespitzt wurden. Der Wahnsinn, Krieg zu führen, bei welchem es nur noch um Vernichtung ging und der selbst den Siegermächten - ausser den USA - keinen wirklichen Sieg brachte, wäre ins Zentrum zu rücken. Der Erste Weltkrieg brachte den den Menschen die Moderne direkt unter die Haut: Die britische Historikerin Joanna Bourke erzählt davon in ihrer «Intimate History of Killing».

Der Erste Weltkrieg war ein durch und durch europäischer Krieg und es erstaunt, dass Brüssel und die EU das 100jährige Jubiläum vor allem als Propaganda benutzen, statt aufzuzeigen, wie ähnlich Brüssel 2014 dem Wien von 1914 ist. Andererseits macht diese Brüsseler Logik bezüglich dem herrschenden Machtmissbrauch und der Knechtung der Menschen durch Freihandelsabkommen EU-USA und EU-China aus EU-Sicht durchaus Sinn. Denn man könnte ja erkennen, wohin es führt, wenn der Nationalismus, das Kapital und die Grossindustrie wichtiger bewertet werden, als der demokratische Fortschritt.

Deshalb gibt es im öffentlichen Diskurs in Europa und der Schweiz eine absurde Ansammlung von Fakten ohne jeden Kontext, die einen derart zu müllen, dass jeder Zusammenhang, jedes Narrativ, jede entscheidende Geschichte in der Vielfalt verlorengeht. Der Erste Weltkrieg als beispielhaftes demokratisches und politisches Versagen geht dabei völlig verloren. Die Priester des Materiellen wollen uns ersticken mit Jahreszahlen, Orten und Gefallenenregistern, sie stopfen uns zu mit Unbrauchbarem und Überflüssigem, so dass wir ganz schnell die Lust verlieren, irgendetwas zu lernen oder gar zu verändern.

1914 begannen die zwei Weltkriege, die bis heute ihre blutigen Spuren ziehen: Rohstoffe, Nationalismus, Männlichkeitswahn, Zynismus, Wissenschaftsterror in den Waffen, Vermesserwahn, ethnische Verunglimpfungen, Rassismus, die Mannwerdung der Frauen in wichtigen Positionen, Medizinmaschinerie, die Vormacht der USA und und und und. Es ist höchste Zeit, dies und nicht irgendwelche Schlachten und Felder in Erinnerung zu rufen. Nicht nur in Europa, sondern vor allem auch in der Schweiz. Nur so sind wir nicht gezwungen die Geschichte als Farce weiterzuleben. «Ich habe es nicht gewollt» schreibt Karl Kraus in «Die letzten Tage der Menschheit».

Tatsache ist: Einige wollen immer und immer und immer wieder.

Regula Stämpfli (Quelle: news.ch)

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  • Im Westen nichts Neues
    Wikipedia-Eintrag zu Erich Maria Remarques Klassiker
  • Die letzten Tage der Menschheit
    Karl Kraus' Meisterwerk gratis im «Projekt Gutenberg» zum lesen.
  • An Intimate History of Killing
    Seite zum Buch Joanna Bourkes über das organisierte Morden im 20. Jahrhundert
  • «1913» von Florian Illies
    Verlagsseite des Fischer Verlages zum Buch 1913
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