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Prostitution in der Schweiz: am liebsten aus den Augen, aus dem Sinn.

 
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Dienstag, 19. November 2013 / 08:41:00

Die Moral, die Wirtschaft und der Strich

Ein Vorschlag geht um in Europa: Verbietet die Prostitution und die Welt wird eine bessere werden. Freier werden zu Hause bleiben, Mädchenhändler werden in sich gehen und reue üben. Und rosa Einhörner werden herumfliegen und das Antlitz von Alice Schwarzer in den Himmel furzen.

Prostitution - vor allem die dunklen Seiten von ihr - zu verharmlosen ist mehr als nur dumm. Menschenhändler, die junge Frauen aus bitterarmen Ländern mit Lügen nach Europa locken und hier regelrecht versklaven zu verharmlosen und als Botschafter des freien Marktes zu bagatellisieren ist unterirdisch. Das Elend, das teilweise herrsche, einfach weg reden zu wollen, auch.

Doch den Schilderungen einer Alice Schwarzer in ihrem neuesten Buch, in dem sie lautstark das Verbot der Prostitution fordert, stehen Proteste von Sex-Arbeiterinnen gegenüber, die sich dagegen wehren, dass ihnen ihr Beruf, den sie selber gewählt hätten, von Leuten verboten wird, die ihre Argumentationen auf den schlimmsten Auswüchsen dieses Gewerbes aufbauen, ohne mit allen Betroffenen zu reden. Mithin eben auch jenen Sex-ArbeiterInnen, die selbstbestimmt diesem Gewerbe nachgehen. Und dass diese von Sozialarbeiterinnen und Streetworkerinnen bei dem Widerspruch unterstützt werden, sollte jeden nachdenklich stimmen.

Die Gegensätze der Schilderungen könnten nicht grösser sein - hier der moderne Sklavenhandel mit verschleppten Mädchen aus dem Ostblock, dort die selbständige Dienstleisterin, welche ihren Körper anbietet, ihr sexuelles Selbstbestimmungsrecht beansprucht, um damit ihr Leben zu finanzieren. Treffen die Fronten dieses Streites zusammen, kommt es zu hässlichen Szenen, wie bei einer kürzlichen Lesung in Berlin, wo Alice Schwarzer scheinbar die Deutungshoheit über das Leben der protestierenden Sex-Arbeiterinnen beanspruchte und diesen den Mund verbieten wollte. Denn, eine Frau, die selbstbestimmt so einen Job macht, gibt es nicht - kann es nicht geben, oder?

Die Politiker, die auch in der Schweiz das Verbot fordern, kreuzen auf einer moralischen Flughöhe, die scheinbar einen gewissen Sauerstoffmangel mit sich bringt und lassen sich auch nicht auf Diskussionen mit den Betroffenen ein. Es ist nicht vermessen, zu behaupten, dass es hier nicht um Menschen, sondern um eine Idee geht. Um die Idee einer reinen Welt, einer Welt ohne die unappetitlichen Seiten des Menschen, einer Welt, in der Triebe und Einsamkeit, Verirrungen und Verwirrungen der Lust einfach so verboten und bestimmt werden können und ein Gesetz ein Problem lösen, ein Bedürfniss aus der Welt schaffen kann.

Dieser Ansatz erinnert an das klassische Titanic-Poster, auf dem an einem serbelndem Baum im Wald das Schild «Waldsterben verboten» angebracht war. Oder an die Prohibition des Alkohols in den USA der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dieses Verbot hat keinen einzigen Alkoholtoten vermieden. Dafür half es, das organisierte Verbrechen zu etablieren und nachhaltig zu finanzieren. Die Mafia in der USA schaffte es vor allem dank des Alkoholverbotes, sich eine finanzielle Stärke anzueignen, die sie noch Jahrzehntelang zur bestimmenden Macht der kriminellen Landschaft der USA werden liess.

Ein weiterer Kampf des Staates, jener gegen illegale Drogen, hat unterdessen ein ganzes Land fast ruiniert: Mexiko ist zu einem hart umkämpften Förderband für Drogen - von Gras bis Kokain - in die USA verkommen. Nicht nur sich konkurrierende Drogenhändler sterben im Kreuzfeuer, sondern auch Lehrer, Journalisten, Mütter, Polizisten und wer auch immer den Kartellen nur im geringsten unangenehm auffällt und im Verdacht steht, diesen im Weg zu sein.

Es lohnt sich hier, kurz den humanitären Blick aus- und die Marktlogik einzuschalten. Mit den prohibitiven Gesetzen und Verboten schafft der Staat einen Markt, der nur durch das Verbot und die Skrupellosigkeit der Marktteilnehmer reguliert ist. Die Schmiergelder, das Blutgeld der Mörder und die Verluste durch Erfolge der Drogenfahndung sind alle im Strassenpreis der Drogen einkalkuliert. Dies und etwa 1000% Marge. Wenn es etwas gibt, dem viele Menschen noch mehr erliegen als sexueller Lust und der Sehnsucht nach dem Rausch, dann wohl der Gier.

Ein Verbot der Prostitution würde genau diese Gier fördern. Die Illegalität würde zwar das Risiko für die Beteiligten erhöhen, aber auch den Preis und die Gewinnspanne. Wobei der Preis womöglich nicht mal steigen würde. Wohl aber das Geld, das die Frauen, die nun auch selbst alle illegal tätig wären, für ihre Dienste bekämen.

Ein Verbot würde das eigentliche Problem Menschenhandel und Zwangsprostitution nicht lösen, sondern verschärfen. Vor allem, weil - wie eben in Zürich zu sehen war - die Exekutive nicht vor den Versuchungen des Gewerbes gefeit ist. Schon jetzt ist die Heuchelei der Gesellschaft in dieser Hinsicht haushoch. «Sexboxen» sind hier nur ein Stichwort. Das totale Verbot würde garantiert wieder zu Auswüchsen führen: Mehr Geschlechtskrankheiten, mehr Mädchenhandel, mehr Korruption, mehr Elend - wir hatten dies alles schon unter rigideren Bestimmungen in der Schweiz. Und das, was immer als erstes angeführt wird, als Grund für das Verbot, ist ohnehin illegal: Menschenhandel und Zwangsarbeit.

Wenn hier die Gesellschaft so fleissig wegschaut und es halbwegs toleriert, dass diese Praktiken hier stattfinden und rührend wenig macht, um den Opfern zu helfen, so wirft das vor allem ein schiefes Licht auf eine Gesellschaft, die einfach nicht daran erinnert werden will, dass es so etwas in ihrer Mitte gibt und an einer Differenzierung kein Interesse hat. Im immer als Beispiel angeführten Schweden steht eigentlich nur fest, dass die offene Strassenprostitution praktisch nicht mehr existiert - was als Folge des Verbotes ja auch irgendwie klar ist. Doch was via Internet, Handy-Kontakte und geheime Netzwerke organisiert in anonymen Vorstadtwohnungen stattfindet, ist praktisch nicht bekannt. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und genau so will man es ja, wenn es mal verboten ist.

So geht es den meisten Befürworten ja nur darum, dieses unappetitliche Thema aus ihrem Sichtfeld zu haben. Keine Diskussion um Sexboxen und Freierverkehr mehr, keine rot beleuchteten Fenster in der Nachbarschaft. «Sollen sie die doch im Keller anketten, solange ich die nicht anschauen muss», scheint so mancher Moralist zu denken.

In der ganzen Thematik hingegen wird kaum ein Wort darüber verloren, in Europa eine grenzübergreifende Taskforce gegen Menschenhandel und Menschenhändler zu organisieren, gegen jene, die alles - von Mädchen bis Landwirtschaftsarbeiter - illegal durch Europa schleusen und an jene verhökern, die den niedrigen, aber lohnenden Preis zu zahlen bereit sind.

Doch das würde aus dem «moralischen» ein wirtschaftliches Problem machen, ein Problem, bei dem die Entmündigung des Menschen im Sinne einer Ökonomisierung desselben im Zentrum stehen würde, ein Problem, dass ausbeuterische Praktiken in Fabriken, auf Feldern und in Bordellen an vielen Orten Europas betrifft, ein Problem, das auf den Grundfesten unserer derzeitigen neoliberalen Marktordnung aufgebaut wurde. Und an der... nein, an der wollen wir lieber mal nicht nicht zweifeln.

Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)

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