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«Praktik die man albern findet?» Absurdes Philosophieren über Genitalverstümmelung.

 
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www.genitalverstuemmelung.info, www.light.info

Donnerstag, 28. März 2013 / 09:14:36

Genitalverstümmelung light

Wie lange wird es wohl noch dauern bis einer der hochbezahlten, erbsenzählenden Experten vorschlägt, Menschenrechte wie CO2-Guthaben global zu handeln? Da könnte die ach so brave Schweiz noch reicher werden, indem sie Nordkorea einige ihrer nicht verbrauchten Menschenrechtsverletzungszertifikate verkauft. So könnte Nordkorea weiter rumfoltern, ohne das damit die globale Bilanz der Menschenrechte aus dem Gleichgewicht geraten würde.

So abwegig ist dieses Zukunftsszenario nicht, wenn auch die wesentlichen Instanzen der Gesellschaft, die für Aufklärung und Bildung vorgesehen sind, nur noch Markt, Vergleich und Beliebigkeit stottern können. Je länger je mehr gibt es Texte, an denen jedes Wort falsch ist: Die Fragestellung, die Beispiele, sowie die daraus resultierenden Schlüsse. Solche Texte mehren sich in letzter Zeit auch in den geisteswissenschaftlichen Instituten der diversen bolognasaucegetränkten Ausbildungsstätten. In einem Milieu, in dem keine Noten mehr verteilt, sondern ECTS-Punkte (European Credit Transfer System) gehandelt werden, verkommen auch menschliche Grundwerte zu Aktienpaketen, die locker an der globalen Beliebigkeitsbörse gehandelt werden können.

Das Paradebeispiel eines derartigen Elaborats war kürzlich im TagesAnzeiger unter «Die grossen Fragen» zu lesen. «Soll man belehrend in fremde Kulturkreise eingreifen, deren Praktiken man ablehnt? Philosophin Sabine Hohl erläutert das Problem an den Beispielen der Mädchenbeschneidung und des Kopftuchverbots.»

Was ist hier falsch? Richtig. Alles. Seit wann ist das Verbot der Genitalverstümmelung eine «Belehrung»? Und hallo: Was genau soll die Gleichstellung des - sprachlich übrigens mit dem üblen, euphemistischen Begriff gekennzeichnete «Mädchenbeschneidung» - mit dem Kopftuchverbot?

Doch es geht noch weiter: «Es stellen sich zwei Fragen: 1. Warum wird die Praktik abgelehnt? Weil wir sie albern, unschön oder unhöflich finden? Oder verletzt die Praktik Gebote der Moral? 2. Auf welche Weise greifen wir ein? Diese zweite Frage führt oft zu berechtigter Kritik an Eingriffen in andere Kulturen. Denn gerade moralisch motivierte Interventionen müssen selbst moralischen Kriterien genügen.»

Hier stellen sich meine unbeschnittenen Nackenhaare auf. Bei der Genitalverstümmelung von Mädchen handelt es sich nicht um eine moralische Praxis (das meint die Philosophin wohl mit ihrem seltsamen Wort «Praktik»), sondern um einen Straftatbestand. Die körperliche Verstümmelung eines unmündigen Menschen ist mittlerweile - anders wohl als in den schweizerischen philosophischen Instituten - international geächtet und in vielen Ländern verboten.

Im Dezember 2012 verabschiedete die UNO-Generalversammlung einstimmig die Resolution, dass sämtliche Länder alles daran setzen sollten, die Verstümmelung von Frauen zu verbieten. Gleichzeitig erhob UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen weltweit zu einer Priorität der internationalen Organisation. Gestern publizierte die UNO beeindruckende Berichte über den Fortschritt gegen die «Female Genital Mutilation» wie die Genitalverstümmelung auf Englisch eindrücklich heisst.

Die schlechte Nachricht war, dass noch immer jährlich 3 Millionen Mädchen neu beschnitten werden, die etwas optimistisch stimmendere Neuigkeit war, dass in einigen Ländern wichtige Fortschritte im Kampf gegen die körperliche Zerstörung von Mädchen und Frauen errungen werden konnten.

Hohl dazu: «Genitalverstümmelung ist moralisch falsch. Sie betrifft einen Kernbereich der Menschenrechte, weil es sich um eine schwere Körperverletzung handelt. Solche schweren Menschenrechtsverletzungen sollten wir moralisch verurteilen, unabhängig davon, wo und durch wen sie verübt werden. Dennoch ist nicht jede Art von Eingriff gerechtfertigt. Auch das Eingreifen selber kann nämlich aus moralischer Sicht problematisch sein.»

Auch hier zeigt sich das ECTS-Denken der Autorin: Seit wann sind Menschenrechte nicht mehr unantastbar, sondern werden in «Kernbereich», «Aussenbereich» und womöglich noch die «Garderobe» unterteilt? Wie sieht dieser «Kernbereich» sophistischer Bolognaphilosophie wohl aus? Ein bisschen Rumgeschnipsel an weiblichen Genitalien ist in Ordnung, solange dies nicht-westliche Frauen tun? So ungefähr lautet die Argumentation der Autorin, die sich zudem darauf versteigt zu behaupten, dass westliche Frauen eigentlich überhaupt nichts sagen sollten, da sie doch bis vor wenigen Jahren von ihrem Ehemann noch ohne Strafverfolgung vergewaltigt werden konnten. Seit in der Philosophie mit Judith Butler alles zur Disposition der linguistischen Betrachtung freigegeben wurde, treibt das Denken Blüten, die seit dem 2. Weltkrieg längst als verdorrt galten. Seit wann sind Menschenrechtsverletzungen moralisch zu verurteilen statt rechtlich zu verfolgen? Und seit wann sollte internationales Menschenrecht «aufpassen», «Bescheidenheit üben», wenn Menschenrechtsverletzungen benannt werden?

Der Text ist ein Lehrstück für eine Haltung, die weit hinter Immanuel Kant und damit noch weiter hinter die Aufklärung tritt. Es ist ein Denken, das nur noch in Marktkategorien funktioniert. Wenn Hohl meint, dass moralisch nur eingreifen könne, wer selber moralisch einwandfrei sei, dann sagt sie realiter, dass wer kein Geld besitzt auch nicht zum Kauf eines Artikels raten könnte. Dass es vom Markt, von der Mehrheitsmoral abweichende Haltungen geben muss, ist der Philosophin wohl so fremd wie die Magna Charta von 1215, die Hohls Argumentation schon damals obsolet gemacht hätte. Nur deshalb vergleicht Sabine Hohl auch die Genitalverstümmelung mit dem Kopftuchtragen und das wiederum mit dem Burka-Tragen. In einem derartigen Brei von Unterscheidungslosigkeit ist es kein Wunder, dass nicht nur die Moral, sondern vor allem das Recht jedes Menschen verletzt wird. «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren» lautet die Grundsatzerklärung der Menschenrechte von 1948.

Sabine Hohls Text belegt, was offenbar heutzutage im Fach «Philosophie» an schweizerischen Universitäten gelehrt wird: Die Umwertung aller Werte unter dem Primat des Marktes. Das Tragische ist, dass Sabine Hohl nur eine von unzähligen neu ausgebildeten Akademikerinnen und Akademikern ist, die sich kritiklos einem System unterwerfen, an welchem alles falsch ist: Die Fragen, die Sprache, die Beispiele, das ahistorische Denken, die Klischées und vor allem das beleidigte Abwinken bei berechtigter Kritik. Doch wir sollten eines nicht vergessen: In zehn, zwanzig Jahren werden uns diese Expertinnen als künftige Elite vorschreiben, wie wir was und wie zu bewerten haben - dann ist mein Eingangsszenario durchaus im Bereich des Möglichen.

Regula Stämpfli (Quelle: news.ch)

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