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Bischof Brunner: Umdeuten von Begriffen zur Kunstform erhoben

 
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Freitag, 24. August 2012 / 08:07:14

Ein Bischof im Wallis: Wie Gott in Frankreich

Im Wallis müssen sich Politik und Schulwesen vom Bischof absegnen lassen. Die Trennung von Kirche und Staat hinkt in vielen Schweizer Kantonen, das Wallis ist in diesem Bereich aber ein abschreckendes Extrembeispiel.

Der Walliser Bischof Norbert Brunner hat eine Botschaft zum Schuljahresbeginn verfasst. Darin bedauert er stark, dass viele Menschen in der Schweiz angeblich vor allem auf ausgiebige und endlose Vergnügungen aus seien. Aber er kommt dann nach der kurzen und umfassenden Zivilisationskritik mit mehr als nur einer Prise Pessimismus und Miesepetrigkeit auch noch auf den Bildungsauftrag der Schule zu schreiben.

Die Dienststelle für Unterrichtswesen erkläre auf ihrer Homepage, dass Bildung der Weg ins selbstbestimmte Leben sei. Bischof Brunner zeigt sich in Geberlaune. Denn er ist «... mit dieser Interpretation einverstanden, wenn sich das «selbstbestimmt» direkt auf das Wesen des Menschen als Geschöpf Gottes bezieht.». Das Lebensbild sei von Gott gegeben. Da macht mein Herz aber Freudensprünge! Bischof Brunner wäre mit dieser Interpretation einverstanden und fände solche staatliche Schulen unterstützenswert. Schade nur, dass diese Interpretation einem säkularen Staat nicht ansteht, er sich also mit etwas einverstanden erklärt, mit dem sich ein säkularer Mensch nicht einverstanden erklären kann. Etwas überspitzt könnte man seine Meinung wohl auch so ausdeutschen: Ich bin für die Selbstbestimmung, solange sie Fremdbestimmung von Gott aus und auf Gott hin ist. Dass Theologen und kirchliche Berufsfunktionäre das Umdeuten von Alltagsbegriffen zu einer Kunstform erhoben haben, ist ja hinlänglich bekannt.

Es darf eben genau nicht das Ziel und die Bestimmung einer öffentlichen Schule in einem modernen Staat sein, in der Bildung der Kinder und Jugendlichen auf die Gottesebenbildlichkeit zu setzen. In der Schweiz leben mittlerweile bereits 64% der Bevölkerung in einem distanzierten Verhältnis zur Religion und es besteht ein grosser Pluralismus in Sachen Religion. Diese Tatsachen verbieten es eigentlich, dass staatliche Schulen hier allzu einseitig handeln und lehren. Immer wenn sich der Staat mit einer Religion identifiziert und sie mit Privilegien ausstattet, schliesst er Leute mit anderen religiösen Überzeugungen oder solche ohne Religion aus und diskriminiert sie.

Freilich, vom Gesetz her hat Bischof Brunner noch Recht. Im Walliser Gesetz über das öffentliche Unterrichtswesen steht, dass es die Aufgabe der staatlichen Schulen sei, «... die sittlichen, geistigen und körperlichen Anlagen des Schülers zur Entfaltung zu bringen und ihn auf seine Aufgabe als Mensch und Christ vorzubereiten.» Freilich ein starkes Stück! Ob man diesen Passus (der gegen die Schweizer Bundesverfassung verstösst, wie auch gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) noch ernst nehmen will, soll jeder für sich entscheiden. Falls man ihn ernst nimmt, wäre es also die Obliegenheit eines - sagen wir - muslimischen oder agnostischen Lehrers, eine Schülerin, deren Eltern beispielsweise Buddhisten, Juden oder Atheisten wären, auf ihre Aufgabe als Christ vorzubereiten. Ich denke, hier gibt vor allem der gesunde Menschenverstand auf. Auch wenn es also noch im Gesetz festgeschrieben ist: Das ist ausgesprochener Blödfug!

Der Geist, in welchem diese Passage 1962 abgefasst wurde, wirkt immer noch. 2008 brachte der SP-Grossrat Robert Sarbach im kantonalen Parlament eine Motion ein, die sich vor allem mit dem Thema der Kirchenfinanzierung im Wallis beschäftigte. Also mit einem Thema, über das man zwar eine Kolumne schreiben könnte, das aber eigentlich besser in einem Buch, einem Gutachten oder in einer Doktorarbeit beleuchtet werden sollte. Die Motion beschäftigte sich mit Finanzhaushaltsführung der Pfarreien, hinterfragte widersprüchliche Auslegungen des kanonischen Rechts, regte mehr Transparenz an und so weiter. Die Motion wurde vom Staatsrat gar nicht behandelt. Er behauptete schlicht, sie sei unzulässig, weil sie eine Änderung des kanonischen Rechts fordere. Was natürlich nicht stimmt. Trotzdem ist es interessant: Im Vatikanton Wallis steht also auch für den Staatsrat ganz offiziell vatikanisches Kirchenrecht über weltlichem Recht.

Der Bischof darf übrigens jährlich dem versammelten Staatsrat und anderen Honoratioren anlässlich des Neujahrsempfangs die Leviten verlesen und die Welt erklären. Und es wird brav zugehört und wahrscheinlich auch genickt. Wie schön, dass die Kantonsregierung mit Belehrungen wie «Ungläubige sollen leben, als ob es Gott gäbe» ins Jahr starten darf. Bischof Brunner hat schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass ihm das Verständnis für das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat fehlt. Aber auch die Möglichkeit eines sinnvollen und ethischen Lebens ohne Gottesbezug und Aussichten auf Bestrafung oder Belohnung im Jenseits. Und ein Lokaljournalist (es hat aber mittlerweile in der Walliser Presselandschaft nicht mehr nur Hofberichterstatter) hält derlei Viertelgares dann auch noch für tiefsinnige Gedanken. Aber eigentlich sind die Medien gemäss Brunner ja ziemlich böse: Anlässich des Kindervergewaltigungsskandals und des Kindervergewaltigungsvertuschungsskandals in der römisch-katholischen Kirche hätten die Medien nicht die Rolle des Informationsträgers eingenommen, sondern hätten Anklage, Verurteilung und Vollstreckung selber übernommen. Nun wäre mir nicht bekannt, dass eine Zeitung einen kindsmissbrauchenden Priester zu einer Gefängnisstrafe verurteilt hätte, noch haben Medienunternehmer Kleriker in ihren Keller oder andere Gefängnisse gesteckt. Aber die bischöfliche Wahrnehmung ist halt anders, sensibler. So denkt und fühlt es tatsächlich in einem Bischof in der Schweiz des 21. Jahrhunderts.

Aber auch in anderen Bereichen werden dem Bischof grosszügigst Sonderrechte eingeräumt. Zum Thema des nunmehr teilweise auch «interreligiös» werdenden Religionsunterricht an der Oberstufe lässt der Generalvikar Richard Lehner wissen, dass die Einrichtung von «katechetischen Fenstern» (also konfessioneller Unterricht) die Bedingung des Bischofs war, dass er der Einführung eines interreligiösen Unterrichts zustimme. Wo käme man denn da auch hin, wenn man für die Planung des staatlichen Unterrichts die Zustimmung des Bischofs nicht einholte? Und für die künftige Ausgestaltung des Religionsunterrichts auf der Primarstufe erhielt die Diözese auch bereits weit gehende Zusicherungen, dass sich die Dienststelle für die Interessen der Kirche einsetzen werde. Es wurde schriftlich versichert, beschwichtigt und beruhigt, dass man gedenke, sich für den Erhalt des konfessionellen Religionsunterrichts einzusetzen. Wie schön, dass die Beamten das Interesse der Kirche so umsichtig zu berücksichtigen gewillt sind!

Will man in der Fachmittelschule den christlichen (das meint im Wallis natürlich vorwiegend: katholischen) Religionsunterricht nicht besuchen, muss man ins Fach «Religion und Kultur». Für dieses Fach ist im Plan vorgeschrieben, dass sich die Schüler darüber bewusst werden, dass «die Religionen für das Leben jedes Einzelnen sowie für das Leben in der Gesellschaft einen positiven Beitrag leisten». Es wird also auch in einem angeblich bekenntnisneutralen Fach Religionspropaganda betrieben. Solches Verhalten der Behörde muss ein wohliges Gefühl bei den Kirchenlobbyisten auslösen. Man fühlt sich sicherlich geschützt und umsorgt. Man braucht sich gar nicht sonderlich anzustrengen; der Wunsch der Kirche ist Befehl für die Behörden und Politiker. Der aktuelle Erziehungsdirektor Claude Roch (FDP) war sich noch nie zu schade, vorauseilend auch noch auf den fundamentalistisch-lächerlichsten Blödsinn einzutreten. Er ordnete die Streichung von Internetlinks durch Tipp-Ex in einem Lebenskundebuch an. Die arglosen Schüler könnten ja zu viel über Masturbation oder Homosexualität erfahren... Schön war bei diesem Schildbürgerstreich, dass die Lehrpersonen, die ganze Schweiz und sogar ein Teil des deutschsprachigen Auslandes herzhaft lachten.

In vielen Kantonen versuchen die Kirchen, einen Fuss in der Türe der öffentlichen Schulen drin zu behalten. Denn sie sehen in dieser Sache ziemlich klar: Wenn sie nicht die Kinder und Jugendlichen mit ihren Märchengeschichten füttern können, wenn ihnen der Zugriff auf die verhältnismässig Leichtgläubigen verweigert wird, dann wird es noch düsterer um sie bestellt sein, dann werden sie noch mehr Anhänger verlieren. Also wehren sie sich nach Kräften und sind sogar bereit, mitzuhelfen, anderen Religionsgemeinschaften zu Privilegien zu verhelfen, wenn sie dadurch die eigenen Vorrechte behalten dürfen.

Dass die Behörden und Politiker weniger säkular denken als die Gesamtbevölkerung, ist bedauerlich. Es fehlt hier oftmals der Mut. Die Walliser Verhältnisse sind charakteristisch für die in vielen Kantonen der Schweiz arg hinkende Trennung von Kirche und Staat. Und das ist nicht nur im Wallis so, sondern auch in vielen anderen Kantonen läuft es ähnlich ab. Typisch «Made in Switzerland». Mir fällt dazu jedenfalls auch die Abwandlung «Made im Speck» ein.

Valentin Abgottspon (Quelle: news.ch)

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