Mittwoch, 22. Februar 2012 / 17:07:04
Heisse Diskussionen um künftige Schweizer Verkehrspolitik
Ich weiss ja nicht, wie es euch geht, doch mir scheint, dass die Diskussion um die Finanzierung des Infrastruktur-Ausbaus beim öffentlichen Verkehr immer heisser und aktueller wird.
Dieses Jahr kommen die Initiative «für den öffentlichen Verkehr» (>siehe Weiterführende Links) sowie der Gegenvorschlag des Bundesrates «FABI» (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur) aufs parlamentarische Parkett - oder eher auf den parlamentarischen Schwingplatz.
Faire Verteilung des Ertrags aus Mineralölsteuer gefordert
Der öffentliche Verkehr hat einen unschlagbaren Vorteil gegenüber dem Strassenverkehr: Die Bahn kann mit weniger Energieverbrauch bedeutend mehr Personen und Güter transportieren. Das Schienennetz muss deshalb rasch und umfassend ausgebaut werden. Weshalb jedoch sollen die Benutzerinnen und Benutzer des öffentlichen Verkehrs finanziell stärker belastet werden als die des motorisierten Individualverkehrs?
Die Initiative «für den öffentlichen Verkehr» fordert eine faire 50:50-Verteilung des Reinertrags der Mineralölsteuer zwischen der Strasse und dem öffentlichen Verkehr. Gegenwärtig erhält die Strasse drei Viertel des Ertrags.
Kapazitätsgrenzen sind (bald) erreicht
Um die dringlichsten Ausbauprojekte in nützlicher Frist anzupacken und durchzuführen, fordern Verbände für den öffentlichen Verkehr 6 Milliarden Schweizerfranken. In einer ersten Etappe will der Bundesrat stattdessen nur 3,5 Milliarden in den Ausbau des Schienennetzes investieren. Die Erhöhung der Trasseepreise, welche der Bund den Bahnunternehmungen aufbürdet, gekoppelt mit den Billettpreiserhöhungen der Bahnunternehmungen lässt die Preise für die Bahn in den kommenden sechs Jahren um bis zu 27% steigen. (Siehe auch Blogbeitrag von Konsumentenschützerin Sara Stalder >Weiterführende Links). Doch die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs darf nicht vermindert werden.
In einem sind sich alle einig: Die Kapazitätsgrenzen auf gewissen Strecken sind (bald) erreicht. Doch die nächsten Ausbauschritte des Bahnnetzes wurden auf Bundesebene noch nicht konkret andiskutiert und der Zeitraum für die Beendigung des Bahn-Ausbauprogramms STEP (Strategisches Entwicklungsprogramm) um zehn Jahre nach hinten auf 2050 verschoben. Irgendwie scheint es dann doch nicht so dringend, die Kapazitätsengpässe zu beheben. Oder wenn, dann vorrangig auf der Strasse. Nun sollten wir uns aber auch immer wieder vor Augen führen, dass, wer Strassen und Tunnel sät, motorisierten Individualverkehr (MIV) ernten wird. Und weder die Mobilität noch das wachsende Verkehrsaufkommen sind einfach unveränderbare Fakten.
Künftige Verkehrspolitik beeinflusst auch Landschaft und Sicherheit
Themen wie Landschaftsverlust, Energiewende, Sicherheit auf den Strassen stehen untrennbar mit der zukünftigen Verkehrspolitik im Zusammenhang. Ein Fokus auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie wirkungsvolle Massnahmen für den Langsamverkehrs haben zum Beispiel sehr wohl was zu tun gegen die Zersiedelung der Landschaft. Es ist bereits allerhöchste Eisenbahn - im wahrsten Sinne des Wortes -, dass wir ein Zeichen setzen.
In den Städten beispielsweise kann eine lebenswerte Zukunft nur über eine Umverteilung des Anteils an MIV hin zu Langsam- und öffentlichem Verkehr geschehen. Hier dürfen Ausbauprojekte nicht aufs Abstellgleis gestellt werden. «Mehr Stadt dank öffentlichem Verkehr» lautet denn auch der Titel der zweiten. VCS-öV-Tagung (>siehe Weiterführende Links), welche am 4. Mai 2012 in Bern stattfinden wird.
Das Mobilitätsverhalten generell überdenken
Noch viel wichtiger ist mir aber, dass die Vermeidung des Verkehrs generell mehr zum Thema wird - und dies sowohl auf Seite Individualverkehr als auch auf Seite des öffentlichen Verkehrs. Denn Gärtchendenken hat noch selten komplexen Fragestellungen gelöst.
Die Frage, wie viel Mobilität wir uns überhaupt leisten können/sollen/dürfen - finanziell aber auch ökologisch und gesellschaftlich betrachtet - stellt sich immer wieder. Könnte nicht ein erstrebenswerter Zustand sein, dass wir vielmehr erhöhte Mobilität in den Köpfen erreichen?
Gastautorin Aline Trede (Quelle: ETH-Zukunftsblog)
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Links zum Artikel:
Blogbeitrag vom 16.02.2012
Gastautorin Sara Stalder, Konsumentenschutz
Initiative für den öffentlichen Verkehr
unterschreiben.aufgleisen.einsteigen
VCS Tagung 4. Mai 2012, Bern
«Mehr Stadt dank öffentlichem Verkehr»
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