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In China gehört die Zigarette immer noch dazu

 
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Montag, 10. Januar 2011 / 13:52:53

Zigaretten und Essstäbchen

Das Sichuan-Restaurant an der Guanghua-Lu-Strasse im Pekinger Chaoyang-Distrikt ist kurz nach sechs Uhr abends bis auf den letzten Platz besetzt. Es duftet nach feinem Essen. Und vor allem nach Rauch.

Ungeniert wird vor, während und nach dem Essen gepafft, dass es seine Art hat. Von Männern und Frauen. In der linken Hand die Zigarette, in der rechten die Essstäbchen. Der Glimmstängel ist Teil der sozialen Interaktion bei Essen unter Freunden genauso gut wie bei Geschäftsessen oder Verhandlungen. Auf dem Lande sind solche Rauch-Bräuche noch sehr viel mehr verbreitet. Zigaretten anbieten gehört ganz selbstverständlich zum Ritual.

Je nach Rang werden auch andere Zigaretten-Marken geraucht. Beim Anbieten ist deshalb Vorsicht geboten. Eine Billig-Zigarette einem höher Gestellten anzubieten, ist ein gravierender Faux-pas, desgleichen einem Bauern oder Wanderarbeiter einen Luxus-Glimmstängel zu offerieren. Früher waren prestigeträchtig ausländische Marken en vogue, vor allem die rot-weisse Schachtel des amerikanischen Produzenten mit dem lässigen Cowboy. Diese Zeiten sind längst vorbei. Chinesische Raucher geben dem einheimischen Schaffen den Vorzug. Die Zigaretten «Made in China» sind gefertigt ganz in der britischen Tradition, denn die englischen Kolonialisten waren es, welche die blonden, starken Zigaretten im 19. Jahrhundert nach China brachten. Pro Schachtel a zwanzig Stück kostet – je nach Blickwinkel – das Rauchvergnügen oder die Sucht zwischen drei und 200 Yuan. Panda ist eine ganz feine Marke, hat doch der grosse Raucher, Revolutionär und Reformer Deng Xiaoping seine tiefen, genussvollen Lungenzüge dieser Marke zu verdanken.

China raucht also. Und wie. Ab dieser Woche jedoch soll ein Rauchverbot in öffentlichen Räumen, am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln landesweit in Kraft treten. Ob der Kampf gegen den Tabak aber erfolgreich sein wird, ist höchst ungewiss. Eine Kampagne gegen den Glimmstängel nämlich wird seit über zwanzig Jahren geführt, ohne sichtbaren Erfolg. Jetzt soll jedoch alles anders werden. Nicht von ungefähr. China steht nämlich unter Zugzwang, weil es zusammen mit 168 andern Staaten eine Konvention der Weltgesundheitsorganisation WHO vor vier Jahren unterzeichnet hat. Darin verpflichten sich die Signatarstaaten bis 2011, durch Verbote, Preiserhöhungen und Steuern den Tabakkonsum entscheidend einzudämmen.

In China ist die Zahl der Raucher in den letzten zehn Jahren gerade mal etwas mehr als ein einziges Prozent zurückgegangen. Rund 350 Millionen Chinesinnen und Chinesen huldigen heute dem blauen Dunst, ein gutes Viertel der chinesischen Gesamtbevölkerung. Auch hier also ist China weltweit die Nummer 1. Über fünfzig Prozent der Männer rauchen. Bei den Frauen hat sich die Zahl in den letzten zehn Jahren von zwanzig auf 37 Prozent erhöht.

Am letzten Donnerstag ist aus Anlass der am Montag beginnenden Anti-Raucher-Kampagne der von sechzig Experten, Ökonomen und Beamten verfasster Bericht «Tabak-Kontrolle und Chinas Zukunft» veröffentlicht worden. Fazit: China muss radikale Massnahmen treffen, um eine Gesundheits-Katastrophe zu verhindern. Die Situation ist alarmierend. Über eine Million Menschen sterben jährlich an Krankheiten, die durch Rauchen verursacht worden sind. Bis ins Jahr 2030, so die Experten im Bericht, könnte sich die Zahl auf 3,5 Millionen erhöhen. Auch die Gesundheits- und Folgekosten des Rauchens sind mit hohen zweistelligen Milliarden-Beträgen pro Jahr enorm.

Tabak ist in China Chef-Sache. Sozusagen. Das heisst, der Staat besitzt ein Monopol für Produktion, Verkauf und natürlich Besteuerung. Bei Aber-Trillionen von Zigaretten pro Jahr ist das ein lukratives Geschäft. Allein im Jahre 2010 beliefen sich die Einkünfte auf satte 600 Milliarden Yuan oder umgerechnet 90 Milliarden Franken. Das staatliche Tabak-Monopol aber ist auch verantwortlich für die Durchführung und Durchsetzung der Anti-Tabak-Massnahmen und Gesetze. Da ergibt sich, um es milde auszudrücken, ein Interessenkonflikt. Chinesische Kritiker sagen deshalb, dass das Staatsmonopol den Fortschritt im Kampf gegen den Tabak verhindere. Zhao Ping von der chinesischen Krebs-Stiftung und Mitautor des oben zitierten Berichtes kritisiert: «Die Zentralregierung versteht nicht, dass die langfristigen Kosten dieses [Tabak]Problems weit schwerer wiegen als die Einnahmen aus dem Tabakverkauf».

Nun ist es nicht so, dass die Zentralregierung sowie die Provinz- und Lokalregierungen nichts tun. Die Olympischen Spiele 2008 in Peking zum Beispiel wurden genau so wie die Shanghaier Weltausstellung 2010 als «rauchfrei» deklariert. In Peking war das Rauchen sogar im Freien auf 362 Strassen der Stadt verboten. Der Erfolg war sehr, sehr bescheiden. Andrerseits: überfällige Massnahmen wurden, wenn überhaupt, sehr spät ergriffen. Ein Rauchverbot an Primar- und Mittelschulen wurde erst im letzten Jahr verhängt. Im Mai 2010 kam dann endlich das Rauchverbot für die staatlichen Spitäler und die Regierungsgebäude. Geraucht wird dort, wie mehrere Spitalbesuche in den letzten drei Monaten zeigten, aber noch immer. Versuche, Tabak-Werbung an Radio, Fernsehen und in Zeitungen zu unterbinden, haben meist kläglich versagt; die staatlichen Zigaretten-Firmen haben Gesetzes-Lücken gnadenlos zu ihrem Vorteil ausgenützt.

Schon früh allerdings wurden im Reich der Mitte die ersten Anti-Tabak-Kampagnen lanciert. Ende der 1980er Jahre begann alles mit einem Paukenschlag, als der grosse Reformer Deng Xiaoping auf Anraten seiner Frau im zarten Alter von 84 Jahren das (Ketten)Rauchen aufgab. Das Parteiorgan «Renmin Ribao» (Volkszeitung) kommentierte den Entscheid wohlwollend und bat die «Massen» um Nachahmung. Als kritischer Beitrag wurde ein Photo von Deng in der Pose des genüsslich, tief inhalierenden Suchtrauchers publiziert. Der Glimmstengel hat sozusagen revolutionäre Tradition. Wie Photos zeigen, war der «Grosse Steuermann» Mao Dsedong selten ohne Zigarette in der Hand zu sehen.

Das grösste Problem bei jeder Anti-Tabak-Kampagne ist Aufklärung. Zhao Ping, der Stellvertretende Generaldirektor der chinesischen Krebs-Stiftung bringt den jetzigen Zustand Chinas im Anti-Tabak-Kampf auf den Punkt: «Chinas Raucherproblem kann verglichen werden mit dem Amerika der 1940er-Jahre. Die Raucher kennen ganz einfach die Gefahren nicht».Viele Chinesen glauben nach Umfragen denn tatsächlich immer noch, das Rauchen gesund sei. Rauchen erhöhe das Denkvermögen und die Effizienz beim Arbeiten, sind viele überzeugt. Vor zwanzig Jahren rauchte mein Chinesisch-Lehrer Liu Laoshi, ein hochgebildeter Mann, die neuen japanischen Zigaretten mit Heilkräutern und war felsenfest der Meinung, dass das seiner Gesundheit zuträglich sei. Und rauchte fortan doppelt so viel.

Auf einer Reportage zum Tabakproblem Ende der 1980er Jahre interviewte ich einen Lungenspezialisten am Pekinger Universitätsspital an der Dongdan-Strasse. Er empfing mich mit einer Zigarette im Mundwinkel und bot mir eine an. Auf den Einwand, dass Rauchen doch nicht gesund sei und zumal der Lunge schade, meinte der Herr Doktor lachend: «Wissen Sie, bei der Dreckluft hier in Peking spielt es keine Rolle, ob Sie eine Schachtel pro Tag rauchen oder nicht. Ohne Filter».

Passivraucher haben es in der verschmutzten Pekinger Luft mithin nicht ganz einfach.

von Peter Achten (Quelle: news.ch)

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