Montag, 10. Mai 2010 / 11:03:15
Von Spekulanten, Wölfen und Borkenkäfern
In Schweden gibt es nach letzten Erhebungen 23 Wolfsrudel, 24 reviertreue Wolfspaare, 4 sonstige stationäre Wölfe und 2 Reviere mit unklarem Status. Wenn Schwedens Finanzminister Anders Borg das Verhalten von Spekulanten gegenüber dem Euro also mit dem von «Wolfsrudeln» vergleicht, sollte er wissen, wovon er redet.
Egal wie man Borgs Aussage interpretiert, sie ist nicht allzu toll für den Euro. Weshalb? Wenn Wölfe jagen, gibt es meist zwei Taktiken, wie sie ihre Beute erlegen. Entweder versuchen sie, aus einer Herde von potentiellen Beutetieren ein schwaches Tier zu isolieren, indem sie die anderen Tiere gezielt attackieren und so eine Lücke in den Herdenverband treiben. Ist das ausgewählte Beutetier von seinen Herdengenossen getrennt, wird es eingekreist und gerissen. Die andere Jagdtaktik ist es, ein grosses, einzelgängerisch lebendes Beutetier aufzuspüren und, wenn es sein muss, tagelang zu hetzen, bis es schliesslich erschöpft ist und so getötet werden kann.
Ist der Euro also das starke gehetzte Beutetier? Wohl eher nicht, denn die Spekulanten zielen ja auf Griechenland, Portugal und Spanien. Demnach also die Hatz auf die Schwachen? Da der Euro generell attackiert wird... auch wieder nicht. Ausser – der ganze Euro wäre krank!
Nun wird von offizieller Seite ja mit grossem Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Euro an sich gesund sei. Doch Spekulanten haben bei gesunden Märkten keine Chance. Wobei die Bezeichnung «Spekulant» ja sehr leichtfertig benutzt wird. Schon normale Investoren bekommen heutzutage diese Bezeichnung und bei Grossinvestoren wird schon von vorneherein von bösen Absichten ausgegangen, obwohl diese ja vielfach Pensionskassen- und sonstige Versicherungsgelder verwalten und eine vernünftige Mischung aus Ertrag und Risiko finden müssen. Wenn sich diese vom Euro abwenden, dann ist das kein karnivores Verhalten, sondern einfach gelebte Vorsicht.
Die «Hardcore-Spekulanten» hingegen, die mit massiven Leerverkäufen den Euro gefährden und den Kurs unterhöhlen, gehen voll auf Risiko. Doch genauso wie ein Wolfsrudel bei einer Herde voller gesunder, starker Tiere keine Chance hätte, so wären die Spekulanten ohne Schräglage der Märkte auf verlorenem Posten. Um noch eine viehische Analogie zu bemühen: Borkenkäfer befallen auch nur geschwächte Bäume.
Spekulanten sind Opportunisten reinsten Wassers. Doch – der Name sagt es – sie brauchen dazu eine Gelegenheit. Diese schaffen müssen erst andere. Wenn der Wert einer Währung oder einer Aktie ausgehöhlt wurde, werden Spekulanten dies früher oder später bemerken und versuchen, den Kollaps dieses Wertes voran zu treiben und damit Gewinn zu machen.
Den Borkenkäfer bezeichnen wir aus rein subjektiver Sicht als Schädling, dabei reagiert auch er nur auf eine Gelegenheit. Denn in einem gesunden Wald befällt er nur einzelne, kranke Bäume. Nur in einem kranken Wald wird er zur Plage. Desgleichen die Spekulanten, die nur in einem geschwächten System gedeihen können.
Der entscheidende Unterschied ist wohl, dass von menschlichen Spekulanten moralisches Handeln erwartet werden könnte, ein Verhalten, das beim Borkenkäfer eher überraschen würde. Doch in einer Gesellschaft, in der der Slogan «Geiz ist geil» populär werden konnte und den Aufstieg von genau jenen in der Finanzwelt fördert, welche die kleinste Sozialkompetenz haben, wäre diese doch etwas viel verlangt. Dies, kombiniert mit einem monetären «Ökosystem», das ein wahrer Mastbetrieb für Finanzborkenkäfer ist, macht es logisch, dass die Spekulanten einen Höhenflug erleben..
Der in der Nacht auf Montag bekannt gegebene Rettungsschirm über mehr als eine Billion Franken könnte die momentane Krise erstmal stoppen. Aber solange das Ökosystem Euroland nicht von Grund auf saniert wird, ist der nächste Käferbefall, ist die nächste Wolfsattacke nur eine Frage der Zeit.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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Betrachtung der Wirtschaft als Ökosystem (Englisch)
Abstract aus dem Buch «Into the Cool» über die Wirtschaft als System, dass einem Ökosystem vergleichbar ist.
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