Montag, 26. Januar 2009 / 19:13:26
WEF: Die Champagnerlaune ist verflogen
Zürich - Vor dem Weltwirtschaftsforum WEF ist die Champagnerlaune endgültig verflogen. Das schwarze Loch der Finanz- und Wirtschaftskrise verschluckt allen Glanz.
Nachdem die Warnungen überhört wurden, müssen jetzt die Scherben zusammengewischt werden.
Bereits vor einem Jahr hatte das WEF mit einem Schock begonnen: Die US-Konjunkturdaten waren schlecht und die Börsen erlebten ihren schlimmsten Kursverlust seit dem Crash im Jahre 2002.
Teure Fehleinschätzung
Dennoch meinte der ehemalige US-Finanzminister John Snow, man solle sich von der Krise an den Finanzmärkten nicht erschüttern lassen: Die notleidenden Kredite und Kreditpapiere seien ja abgeschrieben.
Eine teure Fehleinschätzung: Mittlerweile ist die Welt Tausende von Milliarden Dollar ärmer. Der Tsunami an den Finanzmärkten hat die grossen US-Investmentbanken weggespült. Bankriesen wie die Royal Bank of Scotland, die Citigroup oder die UBS erlitten astronomische Verluste und mussten zur Staatshilfe flüchten.
Die Rezession in den USA hat 2008 bereits so vielen Menschen den Job gekostet wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Auch Europa leidet unter der Krise.
Warnungen
Dabei hatte bereits vor einem Jahr etwa der amerikanische Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini vor einer harten Landung der US-Wirtschaft gewarnt. Von einer Rezession in den USA könne sich die Welt nicht abkoppeln.
Die Zeichen an der Wand seien nicht wahrgenommen worden, sagt WEF-Gründer Klaus Schwab: Dies «lag nicht nur am Syndrom der Verdrängung unangenehmer Tatsachen, sondern auch daran, dass sich niemand wirklich fähig und verantwortlich fühlte, zu handeln.»
Das multilaterale institutionelle System sei entweder zu schwach oder nicht genügend kompetent für ein überbordendes globales Finanzsystem. Und die einzelnen Regierungen hätten aus nationalem Interesse oder aus ideologischen Gründen auch keine restriktive globale Finanzstruktur gewollt.
Mitten in Krise
«Wir stecken immer noch mitten in der Krise», sagt Schwab. Nun will das 39. WEF vom 28. Januar bis 1. Februar unter dem Motto «Die Welt nach der Krise gestalten» Auswege aufzeigen.
Die komplexen Probleme der Welt könnten nur durch Kooperation gelöst werden, sagt Schwab. Dies zeige sich an der Rekordbeteiligung am WEF von über 2500 Teilnehmern aus beinahe 100 Ländern.
Angesichts des Versagens der Wirtschaftselite dürften im Gegensatz zu 2008 die Politiker und Zentralbanker heuer am WEF den Ton angeben, die mit billionenschweren Rettungspaketen versuchen, den Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftsystems zu verhindern.
43 Staats- und Regierungschefs, 9 EU-Kommissare, 17 Finanzminister, 19 Zentralbanker und 20 Handelsminister haben ihr Kommen angekündigt. Das sind doppelt so viele wie normalerweise.
Protektionismus
Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin wird die Eröffnungsrede halten. Prominente Auftritte haben auch der chinesische Premierminister Wen Jiabao und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Der britische Premierminister Gordon Brown nimmt an Gesprächen über die Belebung der Weltwirtschaft und die Neuordnung der globalen Finanzarchitektur teil. Die Erkenntnisse sollen dann in den Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in London im April einfliessen.
Schweizerischerseits befasst sich Bundesrätin Doris Leuthard mit dem Kampf gegen den Protektionismus, der den Welthandel bedroht. Im Vorjahr war es Leuthard am WEF gelungen, der blockierten Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels neues Leben einzuhauchen. Allerdings reichte der Schwung bisher nicht zu einem Abschluss.
Keine Wellen
Ganz klar im Schatten von Finanz- und Wirtschaftskrise stehen die übrigen Themen. Obwohl die Regierung des neuen US-Präsidenten Barack Obama kaum in Davos vertreten ist, wird sie an mehreren Veranstaltungen Gegenstand der Diskussionen sein.
Dagegen dürfte trotz des jüngsten Krieges in Gaza der Dauerkonflikt zwischen Israel und Palästinensern keine Wellen schlagen. Zwar ist der israelische Staatspräsident Schimon Peres am WEF, es fehlen aber führende palästinensische Politiker.
Von den weiteren politischen Brennpunkten auf der Welt stehen der Iran, Pakistan sowie die Konflikte im Kaukasus auf der Traktandenliste des WEF. Erneut breiteren Raum nehmen Klimawandel und Umweltschutz ein.
Johannes Brinkmann (Quelle: sda)
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