Dienstag, 29. November 2005 / 10:03:46
US-Abtreibungsgegner auf dem Vormarsch
Washington - Die religiöse Rechte ist in den USA seit Jahren im Aufwind. Besonders in der Abtreibungsdebatte sind die Aktivisten vorgeprescht, mit bemerkenswertem Erfolg. Immer mehr Bundesstaaten schränken das Recht auf Abtreibung ein.
An diesem Mittwoch befasst sich das Oberste Gericht mit einem solchen Gesetz und damit erstmals seit fünf Jahren wieder mit dem Thema Abtreibung.
Befürworter und Gegner warten gespannt, ob sich unter dem neuen Vorsitzenden John Roberts ein Rechtsruck abzeichnet. Die Erzkonservativen arbeiten seit Jahren daran, Abtreibung in den USA verbieten zu lassen.
Rückläufige Rate
Die Abtreibung ist in den USA seit 1973 erlaubt. Seitdem sind nach Angaben des Guttmacher-Instituts, das für das Recht auf Abtreibung kämpft, 42 Millionen Schwangerschaftsabbrüche unternommen worden.
Die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2002: 1,3 Millionen Schwangerschaften wurden abgebrochen, 13 000 nach Vergewaltigungen oder Inzest. Die Rate ist seit 25 Jahren rückläufig: von 29,3 Abtreibungen bei 1000 Frauen auf zuletzt 21,3.
Für Abtreibungsgegner reicht der Trend nicht. Jeder Eingriff ist für sie ein Mord, und sie machen den Gang zur Klinik für Frauen mancherorts zum Spiessrutenlauf.
Nach den Statistiken des Verbandes der Abtreibungsärzte (NAF) erreichte die Zahl der Übergriffe auf Kliniken und Todesdrohungen gegen Ärzte Mitte der 90er Jahre einen Höhepunkt. Sieben Menschen wurden ermordet, zuletzt zwei 1998.
«Baby-Befreiungsarmee»
Seitdem wird zwar weniger randaliert, die Zahl derjenigen, die vor Kliniken protestieren oder auf dem Bordstein knien und beten, steigt aber: von 4000 im Jahr 1996, auf 10 000 fünf Jahre später und 11 600 im vergangenen Jahr. «Baby-Befreiungsarmee» oder «Armee Gottes» nennen sie sich.
Die Aktivisten beschränken sich aber längst nicht nur aufs Beten und Protestieren. In den vergangenen 10, 15 Jahren haben sie in 34 der 50 US-Bundesstaaten einschränkende Gesetze durchgesetzt, unter anderem solche, die Beratungsgespräche vorschreiben, Wartezeiten nach der Beratung oder die Benachrichtigung der Eltern bei Minderjährigen.
Ein solches Gesetz kommt auch vor dem Obersten Gerichtshof: In New Hampshire muss der Arzt sich bei einer minderjährigen Patientin vergewissern, dass deren Eltern mindestens 48 Stunden vor dem geplanten Eingriff informiert wurden.
Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Leben des Teenagers unmittelbar in Gefahr ist, andere Gesundheitsrisiken zählen nicht. Die Gegner des Gesetzes wollen argumentieren, dass dies gegen die Verfassung verstösst. Das Urteil wird im kommenden Jahr erwartet.
Allein in Mississippi wurden in den vergangenen 15 Jahren 10 neue Restriktionen durchgesetzt. Besonders aktiv ist die Gruppe «Americans United for Life», die für Gesetzesänderungen kämpft.
«Wenigstens auf Ebene der Bundesstaaten setzt sich der gesunde Menschenverstand durch», sagt Sprecherin Denise Burke. «Hier werden echte Fortschritte hin zu einer Kultur des Lebens gemacht.»
Weil die Auflagen für Kliniken immer weiter verschärft werden, gibt es immer weniger Einrichtungen. Zwischen 1996 und 2000 schlossen nach Angaben des Guttmacher-Instituts 223 Kliniken - elf Prozent.
Christiane Oelrich (Quelle: dpa)
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