Sonntag, 23. Januar 2005 / 14:52:49
Generation «Grusig»-Schreiber
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Schämen Sie sich auch ab und zu, wenn Sie sich Ihre Sauklaue genau unter die Lupe nehmen? Es gibt natürlich immer noch Schönschreiber unter uns. Aber die Handschrift der meisten ist schlicht «grusig». Manchmal kaum vom Schreiberling selber zu entziffern.
Der Niedergang der Handschrift ist ein grosser Verlust. Die Lektüre eines handgeschriebenen Textes vermittelt dem Leser oft eine viel grössere Nähe als eine anonyme Druckschrift. Ja, schon die Schriftart allein verrät viel über den Autoren.
Wer schon einmal Manuskripte aus dem 19. Jahrhundert oder von noch früher in der Hand gehalten hat, der staunt meist über die Kunstfertig und Genauigkeit der Schrift. Hatten die Menschen früher einfach mehr Schreibtalent als wir heute?
Selbstverständlich nicht. Sie hatten einfach mehr Übung. Seit der Erfindung der Schreibmaschine im Jahre 1874 nehmen immer weniger Menschen den Stift zur Hand. Und seit der Kommerzialisierung des PCs Ende 1980er gibt es nicht Wenige, die nur ab und zu Papier und Stift benutzen.
Und seien sie mal ehrlich: Wann haben Sie sich das letzte Mal hingesetzt und einen Brief geschrieben? Vielleicht haben Sie an einem Vortrag ein paar Notizen hingekritzelt oder irgendein amtliches Formular ausgefüllt. Aber selbst solche Angewohnheiten werden immer mehr durch Handy-Funktionen und digitalen Formularen ersetzt. Die Zeichen stehen nicht gut für die Handschrift.
Dank einer neuartigen, von der Firma Xerox am Freitag vorgestellten Software könnte der Niedergang der Handschrift aber aufgehalten werden. Xerox hat ein Programm für Handys entwickelt, das es erlaubt, handgeschriebene Dokumente auch als solche fotografisch zu erkennen und die Datenmenge entscheidend zu komprimieren. Abgespeicherte handgeschriebene Dokumente sind mit der Software um ein Zwanzigfaches kleiner als Bilder im .jpg-Fomat.
Xerox redet davon, dass die Software die Kommunikation im digitalen Zeitalter entscheidend verändern wird. Mutige Behauptung, aber vielleicht ist was dran. Sollte die Software wirklich so einfach zu benutzen sein, wie die Fotokopier-Firma sagt, könnte es gut sein, dass Menschen plötzlich wieder Briefe mit dem Stift auf Papier zu schreiben beginnen; diese dann einscannen und dann per Handy verschicken.
Man müsste sich so nicht mehr auf die 160 SMS-Zeichen beschränken, man könnte viel schneller schreiben und man würde den Brief mit der eigenen Schrift ausserdem eine viel persönlichere Note geben.
Vielleicht wird die Wende zum 21. Jahrhundert als Zeitalter der «Grusig-Schreiber» in die Geschichtsbücher eingehen: Als Übergangsepoche vom analogen handgeschriebenen zum digitalen handgeschriebenen Brief.
von Barnaby Skinner (Quelle: news.ch)
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