Die Beziehung zwischen dem Pariser Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler und dem Berner Kaufmann und Sammler Hermann Rupf wird in der Austellung umfangreich dokumentiert.
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Donnerstag, 14. November 2024 / 10:45:55
«Das Paradies im Schatten der Krematorien»
Braque, Picasso, Gris: Die Ausstellung Kahnweiler & Rupf im Kunstmuseum Bern zeigt vom 22. November 2024 bis 23. März 2025 wichtige Werke von Begründern des Kubismus und beleuchtet die aussergewöhnliche Freundschaft zwischen dem Pariser Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler und dem Berner Kaufmann und Sammler Hermann Rupf.
In Paris lebte der Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979), der mit Gemälden von Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris handelte - in Bern der Kaufmann Hermann Rupf (1880-1962), der am Waisenhausplatz Posamente, Knöpfe und edle Schals verkaufte. Durch die aussergewöhnliche Freundschaft der beiden ist ab 1907 die heute im Kunstmuseum Bern deponierte Sammlung Rupf entstanden. Der enge Kontakt zwischen den beiden blieb selbst dann bestehen, als Kahnweilers Familie 1940 im Zuge der deutschen Besatzung und der Judenverfolgung aus Paris fliehen und später sogar untertauchen musste.
Die Ausstellung zeigt diverse Werke aus der Sammlung Rupf, darunter Werke von Pablo Picasso, Juan Gris, Georges Braque, André Derain und Paul Klee. Der erstmals eröffnete Briefwechsel zwischen Rupf und Kahnweiler aus den prekären Jahren 1933 bis 1945 beleuchtet die Sammlung so unter den Vorzeichen einer Freundschaft in aussergewöhnlichen Zeiten.
Eine Freundschaft zwischen Paris und Bern
Daniel-Henry Kahnweiler und Hermann Rupf lernten sich 1901 während ihrer Ausbildung in Frankfurt kennen und entdeckten ihre gemeinsame Leidenschaft für die Kunst, die sie ein Leben lang begleiten sollte. Während Rupf ab 1905 in Bern als Kaufmann tätig war, eröffnete Kahnweiler 1907 eine Kunstgalerie in Paris - der erste Sammler war Rupf. Kahnweilers Galerie machte sich bald einen Namen mit Vertretern des Kubismus wie Picasso und Braque, deren Werke von Anfang an auch in die Sammlung Rupf eingeflossen sind.
Die Verbindung zwischen den beiden Freunden beschränkte sich nicht auf den Rahmen der Kunst: Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, lud Hermann Rupf Kahnweiler, der als Deutscher seine Galerie in Paris nicht weiterführen konnte zu sich nach Bern ein. Dieser verbrachte die Kriegsjahre in der Schweiz. Diese enge Freundschaft sowie der stete Dialog über Kunst führten über die Jahre hinweg zur Entstehung einer einzigartigen und hochkarätigen Sammlung.
Meisterwerke der Moderne
Die Sammlung Rupf bietet einen besonderen Blick auf die Moderne. Sie widerspiegelt in einzigartiger Weise die Anfänge der künstlerischen Avantgarde und die Geschichte des Kubismus. Bis zum Kriegsbeginn 1914 erwarb Rupf bereits eine auserlesene Gruppe von 30 Kunstwerken bei Kahnweiler. Neben Arbeiten der Fauves befanden sich darunter auch Gemälde der heutigen Kubismus-Ikonen Picasso und Braque. In den 1920er-Jahren gelangten sowohl Werke von Fernand Léger als auch eine Gruppe von Gemälden des Kubisten Juan Gris über Kahnweiler zu Rupf, die zu den Schwerpunkten der Sammlung gehört.
Die Werke Paul Klees, darunter etwa das berühmte Niesen-Aquarell (1915) sind ein weiterer Sammlungs-Schwerpunkt. Dank Rupf kam Kahnweiler während seiner Zeit in Bern in Kontakt mit Klee, für den er ab 1934 sogar die Generalvertretung übernahm. Die Verfemung moderner Kunst und Verfolgung moderner Künstler:innen durch die Nationalsozialisten hatte auch Auswirkungen auf den Kunstmarkt in der Schweiz. So fand 1939 die berühmt-berüchtigte Auktion sogenannter «Entarteter Kunst» aus deutschem Museumsbesitz in Luzern statt, deren Erlöse dem deutschen Regime zuflossen. Im Nachverkauf erwarb Rupf trotz Vorbehalten August Mackes Gemälde Gartenrestaurant (1912).
Bisher unveröffentlichte Briefe
«Wenn der Krieg mehrere Jahre andauert, muss das Leben nebenbei trotzdem einigermassen normal weitergehen.» Rupf an Kahnweiler, 27.4.1940
«Wir sind mitten in entscheidenden Stunden. Das Schicksal unserer Zivilisation, unserer Welt, ja von uns allen steht auf der Kippe. Ich bewahre dennoch mein volles Vertrauen.» Kahnweiler an Rupf, 27.5.1940
Diese Worte schrieb Kahnweiler am 27. Mai 1940 an Rupf, nachdem die deutsche Wehrmacht in Frankreich rasch gegen Paris vorgestossen war. Kurz vor der Besetzung von Paris konnten Kahnweiler und seine Frau Lucie im Juni 1940 ins vorerst unbesetzte Südfrankreich fliehen. Von dort erreichten Rupf in Bern rund 40 lange, vielfach sehr persönliche Briefe, die im Rahmen der Ausstellung erstmals publiziert werden. Um nicht aufzufallen, sind sie auf Französisch verfasst und berichten nicht von Politik, sondern vom Landleben, von der Emigration von Freunden, von Ängsten und Krankheiten - und von der intensiven Beschäftigung mit Fragen der Kunst. Kahnweiler widmete sich insbesondere Juan Gris, über den er eine Monografie schrieb, die kurz nach dem Krieg erschien. Rückblickend umschrieb er diese Zeit mit einem denkwürdigen Paradox: «das Paradies im Schatten der Krematorien».
Im August 1943 brach der Briefwechsel zwischen Kahnweiler und Rupf abrupt ab. Als Jude verfolgt, musste Kahnweiler untertauchen um der Gestapo zu entgegen. Er meldete sich erst am 16. Dezember 1944 wieder aus Paris.
Neben den hervorragenden Kunstwerken aus der Sammlung Rupf macht die Ausstellung diesen Briefwechsel zwischen den beiden Freunden sicht- und mit einer Audiostation hörbar. Dabei entsteht sowohl ein neuer Einblick in das Leben und Denken eines der grössten Kunsthändler seiner Zeit, als auch ein berührendes Porträt einer tiefen und lebenslangen Freundschaft.
et (Quelle: bern.im)
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Kahnweiler & Rupf. Eine Freundschaft zwischen Paris und Bern Alle Infos zur Ausstellung.
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